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Klassifizierung von Abfällen in Kleingebinden

Geschrieben von: Spedi

Klassifizierung von Abfällen in Kleingebinden - 04.09.2020 07:26

Guten Morgen liebe Gefahrgutgemeinde,

ich habe einen Fall der mich etwas verunsichert: Bei einem Kunden in der Schweiz (keine GGAV) werden von einer Entsorgungsfirma verschiedene Chemikalien zur Entsorgung abgeholt. Der Kunde sammelt chemisch-ähnliche Stoffe in Innenverpackungen in Kunststofffässern mit Gefahrgutzulassung. Der Entsorger schaut, was in dem Fass mengenmäßig am meisten ist und ordnet den ganzen Inhalt dann einer UN-Nummer (wahrschenlich N.A.G.-Eintragung) zu.

Frage: Wenn diese Stoffe unterschiedliche UN-Nummern haben, kann ich dann so tun als wäre es ein Gemisch und nur eine UN-Nummer zuordnen?

Ich hätte für jedes Gefahrgut geschaut welche Klassifizierung im SDB steht und dann (Zusammenpackverbote geprüft) das Fass mit allen zutreffenden UN-Nummern als zusammengesetzte Verpackung gekennzeichnet....

Bin gespannt auf eure Meinungen! Danke!
Geschrieben von: M.A.T.

Re: Klassifizierung von Abfällen in Kleingebinden - 04.09.2020 10:21

Hallo, ich denke, hier kommt 2.1.3.5.5 ADR zum Tragen. Für die CH wäre dann noch möglicherweise (Haushaltsabfälle) Anhang 1 SDR Nr. 1.1.3.11.2 hilfreich.
Falls unterschiedliche Reste schon zusammengekippt wurden ist das Resultat natürlich als Lösung zu behandeln. Ob dann immer nach nach mengenmäßig größtem Anteil gegangen werden kann bezweifle ich, da auch kleine Fraktionen entscheidende Eigenschaftsänderungen hervorrufen können.
Evtl. kann auch die M287 Orientierung bieten, auch wenn sie seit ein paar Tagen ausgelaufen ist.
Viel Erfolg
M.A.T.
Geschrieben von: Spedi

Re: Klassifizierung von Abfällen in Kleingebinden - 16.09.2020 07:54

Hallo M.A.T.,

vielen Dank für deine Antwort. Leider sind meiner Meinung nach beide Vorschläge nicht anwendbar:
- für 2.1.3.5.5 müsste die Zusammensetzung unklar sein, weiterhin ist es ja nicht nur ein "Stoff", sondern mehrere in einzelnen Verpackungen mit unterschiedlichen Stoffen (oder geht das trotzdem?)
- für die Erleichterung aus Anhang 1 SDR wäre die Frage ob man Unternehmensabfälle auch zu Haushaltsabfällen zählen kann. Finde dazu auch nix in den schweizerischen Erläuterungen. Weiterhin habe ich den nötigen Eintrag "Beförderung gemäß Anhang 1 Ziffer..." im Beförderungspapier nicht gefunden

Gibt es noch andere Vorschläge?
Geschrieben von: DJSMP

Re: Klassifizierung von Abfällen in Kleingebinden - 05.10.2020 08:09

Die Entsorger legen das ADR immer arg weit aus.

Ich stimme dahingehend überein: Wenn die Stoffe nicht zusammengekippt sind, dann kann das eigentlich nicht nur eine UN-Nummer als Lösung werden.

Wo ich noch mitgehen würde: Wenn du beispielsweise verschiedene Gefahrgüter einer Gruppe hast, z.B. verschiedene Säuren, dann könnte man alles ggf. unter einer sauren n.a.g.-Eintragung befördern.

Genauso wird ja auch der Begriff "Abfälle, die aus Verpackungsresten, verfestigten und flüssigen Farbresten bestehen" sehr weitreichend ausgelegt, so dass über Sondervorschrift 650 von den Entsorgern relativ viel unter UN 1263 befördert wird. Ich habe da schon Klebstoffe (UN 1133) u.ä. drin aufgehen sehen.

In Schweizer Vorschriften bin ich nicht bewandert. Aber Gewerbeabfälle sind für mich keine Haushaltsabfälle!
Geschrieben von: Peter Müller

Re: Klassifizierung von Abfällen in Kleingebinden - 06.10.2020 19:24

Liebe Gefahrgut-Gemeinde,

ich denke es schadet nicht, diese Thematik mal aus der Perspektive der Entsorger zu betrachten.
Ich tummle mich zwischenzeitlich 30 Jahre in diesem Metier, in dem Gefahrgut-, Gefahrstoff- und Abfallrecht aufeinandertreffen
und habe schon viele Tonnen gefährliche Abfälle sortiert und verpackt.

Bei gebrauchten Säuren zum Bespiel verwende ich grundsätzlich und ausschließlich NAG-Bezeichnungen.
Nehmen wir als Bespiel eine Salzsäure, mit der Metalle gebeizt wurden.
Aus der "UN 1789 CHLORWASSERSTOFFSÄURE" wird so ein "UN 3264 ÄTZENDER SAURER ANORGANISCHER FLÜSSIGER STOFF, N.A.G., 8, II, (E) ABFALL NACH ABSATZ 2.1.3.5.5", UMWELTGEFÄHRDEND".
Warum ?
Wir haben keine reine Salzsäure mehr. Durch die dazukommenden Stoffe können sich Eigenschaften verändern.
Mit der Einstufung "Umweltgefährdend" ist die Lösung möglicherweise überklassifiziert. Ich kann aber nicht bei jedem 20 Liter -Kanister keine Analyse zur Einstufung machen, wer wollte das bezahlen ?
Das Fahrzeug mit dem die Abfälle bewegt werden, erfüllt, wie auch der Fahrer, alle Anforderungen die für diesen Transport notwendig sind.
Also tut eine Überklassifizierung "keinem weh".

Anderes Beispiel : Sortierung von Laborchemie.
Ein Spannring-Fass 60 Liter wird gefüllt mit vielen Einzelbehältern die alle auf einer Fass-Inhaltsliste für die Verbennungsanlage erfaßt werden müssen.
In dem Behälter befinden sich anorganische Säuren (C + evtl. T), aber auch Metallsalzslösungen (T), die sauer oder pH-neutral sind sowie völlig ungefährliche flüssige Stoffe.
Die Deklaration : UN 2922 ÄTZENDER FLÜSSIGER STOFF, GIFTIG, N.A.G., 8, I, 8 (6.1) ABFALL NACH ABSATZ 2.1.3.5.5", UMWELTGEFÄHRDEND".
Die Deklaration ist nicht für alle Inhalte zutreffend ? RICHTIG.
Aber es ist ein hohes Risiko unterstellt und alle Massnahmen des Transportes sind darauf ausgerichtet. Wen sollte also die Einstufung stören ?
Die Behörde ? Wohl kaum. Die Verbrennungsanlage ? schon gar nicht- die hat ganz andere Schwerpunkte.
Es ist ein schöner Traum, alle relevanten UN-Nummern auf dem Behälter und den Transportpapieren aufzuführen.
Aber wer mal am Stück 250 kg Laborchemie sortiert und verpackt hat, weiß das der Zeitaufwand und die daraus resultierenden Kosten wirtschaftlich nicht darstellbar wäre.
Eine höhere Sicherheit würde daraus auch nicht resultieren.

Ich wünsche Euch einen "gefahrlosen" Abend.
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