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Radioaktive "Gegenstände"
Geschrieben von: Claudi
Radioaktive "Gegenstände" - 09.03.2021 18:44
Hallo,
ich habe es aktuell mit Gegenständen zu tun, bei denen eine erhöhte Radioaktivität festgestellt wurde: durch einen Detektor im Hafen ist der Container aufgefallen, dann wurden Packstücke (alles gleiche Artikel) begutachtet/ gemessen.
Es handelt sich um Alltagsgegenstände und die Kontamination ist durch keramische Bestandteile auf der Ware zu erklären, in denen entsprechende natürliche Elemente in einer erhöhten Menge erhalten sind.
Diese Gegenstände sollen nun wieder befördert werden (zurück zum Hersteller) und ich tue mich schwer:
Die Gegenstände haben nur in einem Bereich diese Keramikbestandteile, der Rest ist völlig harmlos (Plastik, nicht radioaktiv). Ich habe Angaben über Aktivitätskonzentrationen (in Bq/g) und Radionuklide, die unterhalt der Grenzen für Klasse 7 liegen, also kein Gefahrgut. Allerdings sind diese Angaben auf den gesamten Gegenstand "runtergerechnet". Analysiert wurden die Keramikbestandteile separat und deren Aktivitätskonzentrationen für versch. Radionuklide wurden auf die Masse des Gesamtgegenstandes berechnet, fallen dadurch deutlich geringer aus als wenn man nur die Keramik betrachtet.
Kann man das denn einfach so machen oder muss ich von Werten der Keramik allein ausgehen? Dann liege ich 2x knapp in Klasse 7 mit knapp >10 Bq/g. Es ist ein Gemisch aus Radionukliden, v.a. Thorium-232 und Uran-238 bzw. deren Zerfallsprodukte.
Ich könnte eine Freistellung durch die Aktivität der Gesamtsendung in Bq erreichen, wenn ich die Stückzahl der Gegenstände begrenze, aber das stellt eine Hürde dar, weil es ggf. sehr viele dieser Gegenstände werden, die natürlich am besten in einem Schwung zurück an den Hersteller gehen sollen.
Was ich bisher so über Klasse 7 im IATA-Kurs gelernt hab, hilft mir wenig weiter, falls ich nicht freistellen kann: Was für eine UN-Nummer soll das sein? Freigestelltes Versandstück vielleicht, UN 2910? UN 2909 passt nicht so recht, oberflächenkontaminierte Gegenstände (SCO) sind es aber auch nicht - habe auch keine Bq/cm².
Hat jemand Ideen?
Geschrieben von: TV
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 09.03.2021 19:25
Guten Abend,
es gibt einmal den Grenzwert für eine freigestelltes Sendung in bq und einmal für freigestelltes Stoffe in bq/g nach 2.2.7.2.2.1. Werden beide überschritten, handelt es sich um einen radioaktiven Stoff. Dies wäre als erstes zu prüfen. So wie deine Beschreibung lautet, könnte es sein, dass nur einer dieser Werte überschritten wird. Unter dem Begriff "Sendung" verstehe ich zumindest den gesamten Inhalt eines Versandstücks.
Sollte es sich tatsächlich um radioaktive Stoffe handeln, könnte auch un2911 in Betracht kommen.
Geschrieben von: Claudi
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 09.03.2021 19:42
Hi,
das ist mir bekannt.
Die Bq/g werden ggf. (je nachdem, welchen Messwert man hernimmt, ich habe verschiedene Meßwerte) überschritten. Die Aktivität der Sendung in Bq kann man natürlich beeinflussen, in dem man die Sendung klein hält, aber das steht der Idee entgegen, den ganzen Kram mit einem Schwung zu versenden (Dimension eines Seecontainers).
Für UN 2911 ist es wirklich kein Fabrikat - es ist ein Alltagsgegenstand im Haushalt, bei dem keiner auf die Idee käme, dass da was radioaktives dran ist (soll ja auch normalerweise nicht), auf keinen Fall mchte jemand jeden Gegenstand mit "RADIOACTIVE" beschriften.
Geschrieben von: TV
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 09.03.2021 20:03
Ok, das sind wohl größere Dimensionen als ich vor Augen hatte. Wenn alles auf einen Schwung transportiert werden soll, bleibt dann ja nur UN2910 über. Die anderen UN-Nummern kommen nach deiner Beschreibung anscheinend ja nicht in Frage.
Ansonsten schau mal in 1.7.1.4,dort gibt es den Passus das Konsumgüter nicht dem Adr unterliegen. Vielleicht "rettet" dich das? Wobei das mit der Genehmigung nicht zu treffen wird...
Geschrieben von: aw_
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 10.03.2021 07:44
Hi Claudi,
So wie Du das beschreibst müsste das UN2909, gem. IMDG 2.7.2.4.1.6 sein. Um die Nummer ‚Radioaktiv‘ dürftest Du so nicht herumkommen.
Sachen gibt's, da werden radioaktive Materialien verbaut und man wundert sich..
Es wird auch schwierig sein eine Reederei zu finden die das überhaupt haben will.
gruss..aw
Geschrieben von: Claudi
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 10.03.2021 08:47
Das Ding ist ja: da ist nicht absichtlich etwas verbaut worden, es einfach zu viele natürlich vorkommende Elemente in diesem Keramikanteil, also schlechtes Ausgangsmaterial.
Ich muss halt noch herausfinden, von welchem Wert man ausgehen muss (also die Aktivität an der Keramik oder, wie eine Stelle gemacht hat, die Messwerte auf den gesamten Gegenstand (ca. 80-140 g) runterzurechnen.
Ansonsten bleibt wohl nur als Ausweg, die Aktivität der Sendung zu begrenzen um außerhalb der Klasse 7 zu bleiben.
Ich nehme an, dass ich dazu einfach die Aktivität pro Gegenstand in Bq mit der Stückzahl multiplizieren muss.
Edit: eventuell kann ich auf 1.7.1.4 f) ADR (gibt es auch in den anderen Regelwerken...) zurückgreifen?
"natürliche Stoffe und Erze, die in der Natur vorkommende Radionuklide enthalten (und die bearbeitet worden sein können), vorausgesetzt, die Aktivitätskonzentration dieser Stoffe überschreitet nicht das Zehnfache der in der Tabelle in Absatz 2.2.7.2.2.1 angegebenen oder gemäss den Absätzen 2.2.7.2.2.2 a) und 2.2.7.2.2.3 bis 2.2.7.2.2.6 berechneten Werte. Bei natürlichen Stoffen und Erzen, die in der Natur vorkommende Radionuklide enthalten, die sich nicht im säkularen Gleichgewicht befinden, muss die Berechnung der Aktivitätskonzentration gemäss Absatz 2.2.7.2.2.4 erfolgen;"
Natürliche Radionuklide sind es (steht in einem Gutachten)...
Geschrieben von: TV
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 10.03.2021 12:02
Ja die Aktivität mit der Geschirranzahl zu multiplizieren ist für eine freigestelltes Sendung schon richtig.
Die Bq/g sind dann ja unerheblich, wenn du zumindest diesen Wert unterschreitest. Wie wurde das Gewicht des Keramikanteils eigentlich bestimmt? Ich finde es zumindest unüblich, das man die Aktivität nur auf das Keramikteil bezieht. Es ist auch zulässig, zu radioaktiven Versandstücken (nicht freigestellt) Zuschlagsstoffe dazu zugeben um die Bq/g zu minimieren, weil man bestimmte Grenzwerte für die Zwischenlagerung einhalten will.
Bei f) bin ich mir nicht sicher, ob dies nur auf Gesteine oder ähnliches anzuwenden ist. Mit der Verfahrensweise bei NORM kenne ich mich leider nicht aus...
Geschrieben von: Claudi
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 10.03.2021 12:08
Es ist kein Geschirr, sondern keramische Teile an etwas.
Man hat an Prüfmustern die fraglichen Teile abgemacht und diese gammaspektrometrisch untersucht.
Am Gegenstand ist eben die Keramik nicht gleichmäßig verteilt sondern nur an einer Stelle vorhanden, der Rest des Gegenstandes ist aus Plastik und harmlos.
Geschrieben von: TV
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 10.03.2021 13:04
Also wie gesagt, aus meiner Praxis kenne ich es so, dass man die Bq/g auf das gesamte Versandstück beziehen würde, nicht nur auf die strahlende Anteile. Es kann natürlich von Behörde zu Behörde andere Ansichten geben
Im link unten noch einen Leitfaden zum Transport natürlicher radioaktiver Stoffe, falls nicht bekannt. Vielleicht hilft diese ja auch weiter
https://www.tanb.org/view/transport-of-norm
Geschrieben von: Claudi
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 10.03.2021 13:42
Eine Idee für Behördenkontakte wäre auch schön, vielleicht hat hier jemand dazu eine Idee?
Im BMVI ist die Stelle mit Klasse 7 derzeit unbesetzt.
Geschrieben von: Wolfgang
Re: Radioaktive "Gegenstände" - 10.03.2021 14:14
Hallo Claudi,
hier im Forum war doch eine/r Spezialist/in für die Klasse 7. Vielleicht kann der/die Forumsteilnehmer/in dir weiterhelfen. Du musst eine Person finden, die sich bei den radioaktiven Stoffen und im Gefahrgutrecht Klasse 7 sehr gut auskennt und Praxiserfahrung hat. Meines Wissens sind das z.B. Firmen, die Produkte mit geringer Aktivität an Ärzte etc. versenden. Oder Behörden, die radioaktive Stoffe verschiedener Aktivitäten im Auftrag aus Einrichtungen abholen, bei denen radioaktive Stoffe anfallen. Die dürften eine hohe Praxiserfahrung und gute Kenntnisse mit den rechtlichen Vorschriften in diesem Bereich haben. In Hessen gibt es z.B. so eine die Sammelstelle für radioaktive Abfälle. Eventuell gibt es so etwas in anderen Bundesländern. Bei der Klasse 7 werden oftmals wegen nicht ausreichender spezifischer Kenntnisse unnötige Maßnahmen eingeleitet. Das geht schon bei den Messungen los. So kann es durchaus vorkommen, dass jemand einen Messlehrgang von 3 Wochen besucht hat. Und dann trotzdem beim Einsatz eine falsche Einstellung/Ablesung am Messgerät vorgenommen hat.
Gruß Wolfgang