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Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. #16109 17.12.2012 18:17
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Claudi Offline OP
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Hallo,

ich bin derzeit mit Natriumdichlorisocyanuratdihydrat konfrontiert. Das Produkt ist laut Sicherheitsdatenblatt und GESTIS-Datenbank gefahrstoffmäßig mit "sehr giftig für Wasserorganismen..." eingestuft.
SDB sagt: kein Gefahrgut. Gestis sagt: UN3077.

Argument des Herstellers: UN 2465 ist SV 135 zugeordnet, worüber eine komplette Freistellung aus dem ADR erfolgt. Aber mein Bedenken ist: diese Substanz ist umweltgefährdend, dann muss es doch als GG transportiert werden!

Vielleicht kommt diese Freistellung aus der Zeit vor "Fisch&Baum" bzw. vor der Umweltgefährdung und ist nicht angepasst worden? Kann das so gewollt sein?

Was geht nun vor? Die Freistellung komplett oder bleibt es GG (UN3077 statt UN2465) weil Eigenschaften der Umweltgefährdung vorliegen?

Re: Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. [Re: Claudi] #16110 17.12.2012 23:40
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King_Louie_21 Offline
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Hallo Claudi,

wie man's macht, man macht es immer richtig. Sowohl die Freistellung von den Gefahrgutvorschriften als auch die Klassifizierung als umweltgefährdender Stoff sind ist aus meiner Sicht mit guten Gründen zulässig.


1. Begründung für die Freistellung (Sicherheitsdatenblatt):
  • Abs. 1.1.3.4.1 ADR lautet:"Die Beförderung bestimmter gefährlicher Güter wird durch gewisse Sondervorschriften des Kapitels 3.3 teilweise oder vollständig von den Vorschriften des ADR freigestellt. Diese Freistellung gilt, wenn unter der Eintragung der entsprechenden gefährlichen Güter in Kapitel 3.2 Tabelle A Spalte 6 die Sondervorschrift aufgeführt ist."
  • Sondervorschrift SV 135 zu UN 2465 lautet dann: "Natriumdihydratsalz von Dichlorisocyanursäure unterliegt nicht den Vorschriften des ADR."

    Die SV 135 ist eine vollständige Freistellung, die der Absender anwenden darf. Die SV 135 resultiert aus Zeiten vor der ADR-Strukturreform und müsste an sich dringend revidiert werden. Für Natriumdihydratsalz von Dichlorisocyanursäure besteht objektiv eine Umweltgefahr, die eine Einstufung als UN 3077 erforderlich machen würde. Die Korrektur des ADR/RID in diesem Punkt ist allerdings eine von den Vertragsstaaten zu erledigende Hausaufgabe; der Absender ist Rechtsunterworfener und kann das nicht richten.

    Anmerkung: Andere DICHLORISOCYANURSÄURESALZE sowie DICHLORISOCYANURSÄURE, TROCKEN (UN 2465) sind nicht freigestellt.

2. Begründung für die Einstufung als UN 3077 (GESTIS):
  • Nummer 2-15.1 RSEB lautet: "Eine Einstufung als umweltgefährdende Stoffe (aquatische Umwelt) ist im Rahmen der Klassifizierung eigenverantwortlich vorzunehmen (Selbsteinstufung). Dabei sind zuerst die Kriterien nach den Absätzen 2.2.9.1.10.3 und 2.2.9.1.10.4 ADR/RID bzw. 2.4.3 und 2.4.4 ADN anzuwenden. Liegen hierfür keine Daten vor, erfolgt die Einstufung nach Absatz 2.2.9.1.10.5 ADR/RID bzw. 2.2.9.1.10.3 ADN nach gefahrstoffrechtlichen Kriterien. [...]"

    Die Einstufung und gefahrgutrechtliche Kennzeichnung des Natriumdihydratsalzes von Dichlorisocyanursäure als umweltgefährdender Stoff kann nicht beanstandet werden, denn es wird auf eine tatsächlich vorhandene Gefahr hingewiesen (Nr. 5-4 RSEB).

Schöne Grüße.

P.S. Dieser und ähnliche Widersprüche wurden unter anderem auf dem auf dem Schweizer Gefahrguttag Luzern 17.09.2010 thematisiert: Umweltgefährdung: A never ending story

Re: Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. [Re: Claudi] #16111 18.12.2012 07:31
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Udo Freitag Offline
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Guten Morgen Claudi,

kurz und knapp. Werden die Kriterien zur Einstufung von umweltgefährdenden Stoffen (aquatische Umwelt) erfüllt dann ist es Gefahrgut. Entweder als Zusatz zur UN 2465 oder nur UN 3077. In deinem Fall wohl nur die UN 3077. Nur weil die 2465 über die SV 135 freigestellt ist, kann ich die Umweltgefährdung nicht links liegen lassen. Beides muss betrachtet werden und bleibt die Umweltgefährdung übrig dann nur UN 3077.



Gruß

Udo

Re: Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. [Re: Udo Freitag] #16112 18.12.2012 09:48
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Gandalf Offline
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Hallo zusammen,
also ich würde das mal so sehen, dass in diesem Fall die Freistellung vorgeht (auch wenn das vielleicht dem Sicherheitsgedanken widerspricht). UN 3077 kann nicht angewendet werden, denn es soll ja möglichst der konkrete namentlich genannte Stoff angewendet werden, allgemeine und n.a.g. Stoffe sind nur die letzte Wahl. UN 2465 ist nun mal die ganz konkrete Bezeichnung, die könnte ich allenfalls mit der Zusatzgefahr "Umweltgefährdend" befördern, nicht aber unter UN 3077. Der von Claudi genannte Stoff ist durch die SV 135 freigestellt, also kein ADR und auch keine Zusatzgefahr (jedenfalls nicht nach ADR). Wenn man die Erläuterungen im Kapitel 3.2 zum Verzeichnis der gefährlichen Güter genau nimmt, können die SV gar nicht ignoriert werden, denn dort es heißt es zu Spalte 6: "Diese Spalte enthält die ... einzuhaltenden Sondervorschriften". Darüber hinaus verlangen § 18 (1) Nr. 8 und 10 GGVSEB die entsprechende Berücksichtigung auch im Beförderungspapier.
Gruß Gandalf

Re: Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. [Re: Gandalf] #16113 18.12.2012 15:49
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Udo Freitag Offline
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Hallo Gandalf,

ich bleib bei meiner Auffassung wenn nicht UN 2465 mit Zusatzgefahr "umweltgefährdend" dann aber UN 3077. Wie sieht es denn z.B. mit schwerem Heizöl aus. Flammpunkt über 60 Grad Celsius also kein Gefahrgut der Klasse 3 mit der UN 1202 und Fisch/Baum. Trotzdem ist es Gefahrgut weil umweltgefährdend. Also UN 3082.

Gruß

Udo

Re: Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. [Re: Udo Freitag] #16114 21.12.2012 13:20
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Gandalf Offline
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Hallo Udo,
natürlich kann man die Auffassung vertreten, das Material dann unter Klasse 9 wg. umweltgefährdend zu befördern. Auch King_Louie_21 hatte ja schon auf die existierenden Widersprüche hingewiesen. Man kann jedoch auch die Vorschriften anders lesen. Der Unterschied zu dem von dir genannten Beispiel Heizöl schwer ist folgender: Wie du richtig geschrieben hast, ist Heizöl schwer wegen der Kriterien kein Gefahrgut der Klasse 3, aber eben nur das. Unabhängig davon muss ich nach ADR weitere Gefahrenmerkmale prüfen, wie eben umweltgefährdend.
Bei UN2465 handelt es sich aber schon um Gefahrgut, was jetzt durch eine SV vollständig vom ADR ausgeschlossen wird. Demnach bräuchte ich dann auch keine weitere Prüfung nach ADR durchzuführen.
Hier beißt sich letztlich die Katze in den Schwanz (das wissen wir alle) und ich denke, dass mit GHS/CLP und REACh die Umweltgefährlichkeit an Bedeutung zunimmt, und dann werden sicher auch solche SV angepasst oder konkretisiert werden (müssen). <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smirk.gif" alt="" />
Gruß Gandalf

Re: Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. [Re: Gandalf] #16115 22.12.2012 17:12
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Udo Freitag Offline
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Hallo Gandalf,

hast mich überzeugt <img src="/ubbthreads/images/graemlins/laugh.gif" alt="" />

Wünsche eine besinnliches und frohes Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch in das Neue Jahr.

Gruß

Udo

Re: Gefahrgut oder nicht? Freistellung vs. Umweltgef. [Re: King_Louie_21] #16116 14.01.2013 13:59
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DFK Offline
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Die Änderung der SV135 ist bereits beschlossen worden(ST/SG/AC.10/C.3/2012/68):
"135 The dihydrated sodium salt of dichloroisocyanuric acid does not meet the criteria for inclusion in Division 5.1 and is not subject to these Regulations unless meeting the criteria for inclusion in another Class or Division."


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