wassergefährdende Ladung
#36289
16.01.2024 09:55
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Michael
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Hallo,
ich kann mich erinnern,dass das Thema einmal im Ansatz angesprochen wurde, aber nicht wirklich erörtert....
Ich habe heute einmal -weil ich zu dem Thema privat gefragt wurde- mit der App von Toll-Collect gespielt. Bei einer fingierten Einbuchung einer Strecke wird der Nutzer für die Streckenberechnung auch gefragt, ob er "gefährliche Güter I" oder "wassergefährdende Ladung II" geladen hat um entsprechend die Strecke mautpflichtiger Straßen zu ermitteln. Ansich ein Service, den ich gut finde, ich weiß nicht ob die Navis der LKWs sowas überhaupt her geben.
Nun stellt sich mir aber immer noch die Frage, wie der Fahrer wissen soll, ob er wassergefährdende Ladung auf dem LKW hat. Eine Mitteilungs- oder Ausweisungspflicht des Versenders oder Verlader wäre mir nicht bekannt.
Wie kennt Ihr das in der Praxis und setzt es ggfs. um?
Michael
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Michael]
#36291
16.01.2024 12:34
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Gerald
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Hallo Michael, Nun stellt sich mir aber immer noch die Frage, wie der Fahrer wissen soll, ob er wassergefährdende Ladung auf dem LKW hat. Eine Mitteilungs- oder Ausweisungspflicht des Versenders oder Verlader wäre mir nicht bekannt. Das ergibt sich meiner meinung nach nach ADR Unterabschnitt 2.1.3.8 "..aber den Kriteriendes Absatzes 2.2.9.1.10 ..." ; den Absatz 2.2.9.1.10.3.1 und dem Absatz 2.2.9.1.10.6.und natürlich aus dem Datensicherheitblatt Lfd.Nr.14 und damit greift der Absatz 5.4.1.1.18!
Gruss aus Unterfranken
Gerald
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Michael]
#36292
16.01.2024 12:35
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M.A.T.
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Hallo, es gibt mehrere Möglichkeiten, den Fahrer zu informieren. Einmal die Baumfisch-Markierung auf Umschließungen - zwar nicht identisch aber eine m.E. praxisnahe Näherung. Sodann die Informationspflicht an den Frachtführer nach HGB § 410 und schließlich das Beförderungspapier, falls dort "umweltgefährdend" bzw. "Meeresschadstoff" aufgeführt ist. Und mir ist klar, daß die erste und dritte Möglichkeit nicht identisch mit den WHG-Kriterien sind, aber nichts ist perfekt. Zusätzlich könnte man eine Befördererpflicht auch aus § 19(2) Nr.11 i.V.m.§ 4(1) ableiten. Gruß M.A.T.
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: M.A.T.]
#36294
16.01.2024 13:49
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Michael
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Hi,
ihr bezieht Euch auf das ADR und zieht aus der Umweltgefährdung die entsprechenden Rückschlüsse. Das kann ich nachvollziehen und es ist ein Ansatz, wobei ich nicht beurteilen kann, ob der ADR-geschulte Fahrer die Fachkenntnis besitzt, dem zu folgen.
Wie M.A.T. ja schon schreibt, ist das aber nur eine "Hilfskrücke" dem WHG gerecht zu werden.
Mir fehlt zum einem eine klare Definition der "Wassergefährdung" und zum anderen auch der Informationsfluss über die Eigenschaft an den Fahrer, der die Verbote befolgen soll.
Beispiele:
- Seifen (z.T. in der Lagerung WGK II), die kein GG entsprechend der Klassifizierung darstellen.
- muss der Fahrer das von sich aus Wissen, wenn er die Ladung kennen sollte (was ist mit der Übernahme verschlossener Einheiten, muss er das aus den Papieren deuten können)?
- Lebensmittel,welche nach AwSV keine wassergefährdenden Stoffe sind, obwohl sie diese Eigenschaften besitzen
- gilt der Ausschluss der Wassergefährdung auf Basis dieser Verordnung, welche sich nicht auf Transporte bezieht, überhaupt?
Mir geht es nicht um "Gegenrede" oder "sinnfreie Diskussion". Ich möchte einfach einmal für das Unternehmen das Haftungsrisiko beurteilen können, wenn etwas passieren sollte. Nebenbei das Risiko der Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit, nur um es zu erwähnen.
Was wäre z.B. wenn ein LKW in Verbotszonen für WG-Stoffe umkippt und ein Gewässer von den Stoffen (die kein Gefahrgut sind) geschädigt wird:
- bei den Seifen - z.B. bei Cola (WGK II)?
Nach WHG muss einer/mehrere die "Sanierung" des Gewässers bezahlen. Wer und warum?
Michael
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Michael]
#36295
16.01.2024 14:06
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M.A.T.
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Hallo, Michael
die Legaldefinition WGK finden Sie problemlos im WHG; die praktische Umsetzung für konkrete Stoffe in den Bundesanzeiger-Bekanntmachungen und konsolidiert in der Rigoletto-Datenbank. Insoweit habe ich mich nicht auf das ADR sondern auf nationales Recht bezogen. Eine Selbsteinschätzung durch den Fahrer ist weder vorgesehen noch machbar noch wäre sie in irgendeiner Form rechtsverbindlich. Auf eine mögliche Verschränkung von GG- und Gefahrstoffrecht hat ja Gerald übrigens schon mit 2.2.9.1.10.5 hingewiesen. Der Fahrer braucht keine Fachkenntnis zur Einstufung, sondern nur das Wissen, welches ihm in der Fahrerschulung bzw. kraft FS (Verkehrszeichen) vermittelt wurde. Die Verbotsstrecken nach StVO sind nicht abhängig vom Gefahrgutrecht, sondern ausschließlich vom WHG. Ob eine Seife GG ist oder nicht spielt keine Rolle, es greift eine allfällige Einstufung nach WHG, und damit der § 410 HGB (auch wenn er vielen Praktikern nicht bekannt oder bewußt ist). Wenn Lebensmittel WHG-Stoffe enthalten aber selbst kein WHG-Stoff sind ist auch das Verbotsschild bzw. das Gebotsschild irrelevant. Es besteht also kein Informationskonflikt für den Fahrer. Selbstverständlich gilt ein "Ausschluß", das Wasserhaushaltsrecht ist komplett unabhängig vom GG-Recht. Falls natürlich ein Stoff nwg ist aber dennoch - zB aus dem IMDG-Code - als Baumfisch eingestuft möchte ich im Schadensfall nicht der Verantwortliche sein, denn Umweltschaden ist Umweltschaden, unabhängig davon, nach welcher Vorschrift das absehbar gewesen wäre. In einem solchen Schadensfall greifen die üblichen deutschen Strafvorschriften nach WHG und StGB, nachzulesen ab § 324 Straftaten gegen die Umwelt. Wie genau dann die Verantwortlichkeiten zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden entscheidet das Gericht. Wenn ein Fahrer informiert wurde und dennoch durch das Sperrgebiet fuhr wird der wohl schmerzhaft dafür büßen. Falls er aber nicht informiert wurde dürfte der Absender / Beförderer dran sein. Denken Sie an den Fall vor einigen Jahren, wo aus einem abgestellten TW-Anhänger Stoffe ausliefen und Gewässer verunreinigten.
Zusammengefaßt: wenn ein Unternehmen gegen besseres Wissen einen WHG-Stoff transportiert, versendet etc. und es passiert was, hat jeder Beteiligte rechtlich schlechte Karten. Gruß M.A.T.
Nachtrag: Lebensmittel wie Aromen etc. können, obwohl in kleinstmengen unbedenklich, in größeren Mengen (IBC-Versagen zB) einen Bach zum Umkippen bringen.
Zuletzt bearbeitet von M.A.T.; 16.01.2024 14:16. Bearbeitungsgrund: Nachtrag
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Michael]
#36296
16.01.2024 14:34
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Gerald
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Hallo Michael, mit der App von Toll-Collect gespielt. Bei einer fingierten Einbuchung einer Strecke wird der Nutzer für die Streckenberechnung auch gefragt, ob er "gefährliche Güter I" oder "wassergefährdende Ladung II" geladen hat um entsprechend die Strecke mautpflichtiger Straßen zu ermitteln. Kleiner Nachtrag noch. Ich habe immer ein Problem mit einer App, einer Karte u.ä. welche Information zu den Verkehrszeichen 261 „Verbot für kennzeichnungspflichtige Kraftfahrzeuge mit gefährlichen Gütern“; Verkehrszeichen 269 Verbot für Fahrzeuge mit wassergefährdender Ladung u.ä. Das Problem ist dabei, wie aktuell ist die App, Karte oder Ähnliches. Es kommt immer auf das Verkehrszeichen an, welches auf der Strecke steht, ich kann mich als Fahrer nicht auf die App, die Karte u.ä. berufen! wie der Fahrer wissen soll, ob er wassergefährdende Ladung auf dem LKW hat. Das bekommt er mit den Angaben in dem Beförderungspapier vom Beförderer! Hat aber M.A.T. auch schon in seinem Beitrag erwähnt.
Gruss aus Unterfranken
Gerald
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Gerald]
#36297
16.01.2024 15:23
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Michael
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@Gerald: Ich würde mich auch nicht auf die Allwissenheit solcher Apps verlassen ;-)
@MAT: Vielen Dank für Deine Ausführungen, diese helfen mir bei meinen Gedanken schon sehr.
Ich wäre jetzt etwas anderer Meinung bezüglich der Quelle Rigoletto, da ja Lebensmittel dort nicht aufgeführt sind, da nach AwSV ausgeschlossen. Auch wären für mich Lebensmittel, die genügend WG-Stoffe enthalten wassergefährdende Stoffe nach §62 wenn man Gemische mit betrachtet, was die AwSV ja tut.
Sehr interessant finde ich den Verweis auf $410 HGB über gefährliche Güter. Du scheinst hier begründet die Begriffsdefinition aus der GGVSEB welche sich nur auf klassifiziertes Gefahrgut bezieht im HGB weiter auszulegen.
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Michael]
#36300
16.01.2024 15:40
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M.A.T.
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Hallo, Michael, was Lebensmittel (so nicht per § 3 ausgeschlossen, Sie erwähnten es) angeht, dann sind das technisch Gemische, oder? Für die ist ja nicht UBA, sondern Selbsteinstufung vorgesehen (für das Lebensmittel, nicht für die Bestandteile!). Solche sind aber regional verschlossen (nicht öffentlich) und damit nicht recherchierbar. Falls Sie also eine solche Selbsteinstufung für Ihre Lebensmittel haben müssen Sie die natürlich beim Fahrweg berücksichtigen. HGB verweist direkt auf die GG-Vorschriften, und damit ist für mich schon alles, was gefahrgutrechtlich eingestuft werden kann (also auch Baumfisch) automatisch hinweispflichtig, auch wegen der GG-Legaldefinition im GGBefG! Und wegen der großen sachlichen Überschneidung zwischen WHG und GG-Recht würde ich selbst dann darauf hinweisen, wenn Daten es als nicht-GG (bzw. nicht-Gefahrstoff) aber als WHG-Stoff einstufen. Einfach wegen der Umweltschädigung im Havariefall. Andernfalls müßte man in einem solchen Fall zur Exkulpation wissenschaftlich nachweisen, daß ein Umweltschaden gar nicht entstehen konnte - was wohl schwierig werden dürfte wenn ein Schaden evident ist. Genau für solche Fälle existiert der Gummiparagraph Nr. 4 ja, denke ich mal.
Daß der dt. Gesetzgeber es seit Jahren versäumt, hier durch einen einfachen Satz in der GGVSEB WGK-Stoffe = GG zu setzen ärgert mich schon lange. Es würde das Leben für alle einfacher machen (Stichwort Bürokratieabbau und Umweltschutz durch weniger Testen) Vielleicht hat es mit Lobbyarbeit zu tun. Gruß M.A.T.
Nachtrag: wie lange, schätzen sie, kann ein WHG-Abschnitt auf der BAB sein? Ich kenne einen von 47 km!
Zuletzt bearbeitet von M.A.T.; 16.01.2024 15:56. Bearbeitungsgrund: Nachtrag
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Michael]
#36302
16.01.2024 15:55
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Claudi
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Bei Produkten mit WGK, die kein Gefahrgut sind, gibt es kein Beförderungspapier und ob HGB §410 greift bzw. wann (muss erst was passieren, damit den man ziehen kann), halte ich für fraglich. Bei Gefahrgut sollte Fahrpersonal im Zweifel immer davon ausgehen, dass es auch eine WGK hat. Das Problem sind Gefahrstoffe und andere WGK-Stoffe, nicht teilweise nicht mal CLP-Piktogramme tragen müssen.
Es gibt einfach eine Lücke zw. Anforderung an das Fahrpersonal (fahr nicht durch Vkz 269) und Informationspflicht (gibt es keine, zumindest nix eindeutiges).
Ich habe bisher allerdings auch noch keinen Fall einer Beanstandung wegen Verstoß gegen das Durchfahrverbot gehabt. Aber das ist ja nicht die Messlatte. Außer, wenn etwas passiert, ist es gleich potentiell strafverschärfend.
Ich habe vor, zumindest bei uns (bin erst neu da) das Thema anzusprechen und zu empfehlen, dass auf Frachtbriefe/ Fahraufträge ein entsprechender Vermerk aufgenommen wird.
Zuletzt bearbeitet von Claudi; 16.01.2024 15:56.
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Re: wassergefährdende Ladung
[Re: Claudi]
#36303
16.01.2024 16:04
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Michael
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@ M.A.T: nochmal Danke!
@ Claudi: ich werde die Diskussion bei mir in der Firma auch anstoßen. Mir geht es aber weniger um potentielle Bußgelder als wirklich um das Risiko, im Falle eines Unfalls Haftungen vom Richter zugesprochen zu bekommen.
Ob dann ein solcher Richter nach 410 HGB wassergefährdende Stoffe als gefährliche Güter wertet, oder sich auf die Argumentation der Begriffsbestimmung nach GGVSEB einlässt ist die eigentliche Risikofrage. Da stände ich mit dem Unternehmen lieber so vor dem Richtertisch, dass ich nach Möglichkeiten derartige Informationen auch weiter gegeben habe. Dies sei aber halt nicht immer möglich, ins besonders wenn ich sie selber nicht erhalten habe.
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