Hallo GG1,
hallo Gefahrgutkolleg(inn)en,
guter Einwurf! Allerdings ist die BAM dennoch aus meiner Sicht nicht berechtigt, Verpackungen zu beanstanden, die im Nachlauf vom See-/Flughafen unter Inanspruchnahme der Regelung des Unterabschnitts 1.1.4.2 ADR befördert werden.
Unabhängig davon gilt Unterabschnitt 4.1.1.17 ADR/RID:
«Verpackungen, einschließlich Großpackmittel (IBC) und Großverpackungen, die nach Abschnitt 6.1.3, Unterabschnitt 6.2.2.7, Unterabschnitt 6.2.2.8, Abschnitt 6.3.1, 6.5.2 oder 6.6.3 gekennzeichnet sind, aber in einem Staat zugelassen wurden, der keine Vertragspartei des ADR ist, dürfen auch für Beförderungen gemäß ADR verwendet werden.» Druckgefäße, die keine UN-Druckgefäße sind (Abschnitt 6.2.3 ADR), fallen jedoch nicht darunter.
Die
M237 halte ich für eine andere Baustelle, die ich nicht berücksichtigt habe, weil wir hier ursprünglich von einem 180L-Fass und nicht von einem Druckgefäß geredet haben. Die in der
M237 genannten DOT-Druckgefäße erfüllen nicht alle Anforderungen des Abschnitts 6.2.3 ADR. Druckgefäße gem. Abschnitt 6.2.3 ADR sind nicht mit dem
UN-Verpackungssymbol gekennzeichnet. Wichtig erscheint mir, dass die
M237 davon ausgeht, dass die Abfüllung der Gase in die DOT-Druckgefäße im Einklang mit der Regelung des Unterabschnitts 1.1.4.2 ADR erfolgt ist. Die
M237 regelt nicht den Nachlauf vom See-/Flughafen zum ersten europäischen Empfänger, der den Ort der vorübergehenden Lagerung betreibt. Dazu besteht auch keine Notwendigkeit, denn der Nachlauf ist gemäß Unterabschnitt 1.1.4.2 ADR zulässig. Der Nachlauf des DOT-Druckgefäßes endet mit der Ankunft am Ort der vorübergehenden Lagerung. Der Ort der vorübergehenden Lagerung ist wohl in der Regel der Standort des (Groß)händlers oder des Importeurs oder ein von diesen Personen beauftragtes Speditionslager.
Wenn das DOT-Druckgefäß am Ort der vorübergehenden Lagerung eintrifft, weiß der Händler oder Importeuer möglicherweise noch gar nicht, wem er das Gas Tage oder Wochen später verkauft. Der Endverbraucher kann zu diesem Zeitpunkt bekannt sein, muss es aber nicht. Der Transport zum Endverbraucher ist ein neuer Beförderungsvorgang, also kein Nachlauf mehr. Der (neue) Absender müsste eigentlich sicherstellen, dass die für die Beförderung verwendete Verpackung den Vorschriften des ADR entspricht (§ 18 Abs. 1 Nr. 5 GGVSEB). Die
M237 genehmigt für diesen Fall die Beförderung vom Ort der vorübergehenden Lagerung bis zum Endverbraucher in abweichenden DOT-Gefäßen. Wer noch mehr zum Unterschied zwischen UN-Druckgefäßen und DOT-Druckgefäßen wissen möchte, wird fündig im Dokument
OTIF/RID/RC/2011/6. Die darin genannte
M180 ist am 02.06.2011 abgelaufen und wurde abgelöst durch die
M237.
Wir kennen auch den umgekehrten Fall, dass eine im europäischen Binnenland zugelassene Verpackung nicht hochsee- oder luftfahrttauglich oder amerikatauglich ist. Dabei handelt es sich um die Feinstblechverpackungen im Unterabschnitt 6.1.4.22 ADR, die gemäß Unterabschnitt 6.1.3.1 a) (ii) mit dem Symbol «RID/ADR» gekennzeichnet sind. Allerdings gibt es auch hier wieder eine Ausnahme. Das Ostseememorandum erlaubt die Beförderung von Gefahrgütern auf hoher See in Verpackungen, die den Vorschriften des ADR entsprechen.
Die Liste der (vermeintlichen) Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten lässt sich fortsetzen:
[*]BAM-Zulassungen für Verpackungen werden nicht überall
im Ausland anerkannt.
[*]In Nordamerika fallen "combustible liquids" (Flammpunkt > 60°C) in die Klasse 3 und Placards auf Seecontainern/Tankcontainern dürfen nicht im unteren Bereich des Containers angebracht werden, weil die in Nordamerika übliche Bauart der Bahnwaggons sonst die Placards abdecken würde. Der Vorlauf im europäischen Binnenland zum See-/Flughafen kann bereits mit der in Nordamerika geforderten Kennzeichnung erfolgen.
[*]Verpackungen, die nach ADR-Assimilierungsliste (Unterabschnitt 4.1.1.21 ADR) für einen vergleichbaren, aber nicht direkt aufgeführten Stoff eingesetzt werden können, dürfen auch im Seeverkehr verwendet werden, obwohl der IMDG-Code die Assimilierungsliste nicht kennt.
Nochmals kurz zum Königswasser: Der Unterabschnitt 1.1.4.2 ADR beinhaltet keine Freistellung von der Prüfung, ob ein Stoff als solcher zur Beförderung auf der Straße zugelassen ist. Diese Prüfung ist immer vom Absender (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 GGVSEB) oder dessen Auftraggeber (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 GGVSEB) sowie vom Verlader (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 GGVSEB) vorzunehmen. Der Absatz 1.1.4.2.1 ADR besagt lediglich, dass die Verpackungen, die Zusammenpackvorschriften, die Gefahrzettel und die Kennzeichnungen der Versandstücke von den Vorschriften des ADR abweichen dürfen, wenn eine See- oder Luftbeförderung vorausgegangen ist und es sich um einen Nachlauf vom See-/Flughafen zum Empfänger handelt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger gibt dieser Absatz her.
Schöne Grüße.